Champagne - Burgund 2016
Die Weinreise 2016 war Überwindung und Kompromiß in einem.
Die Überwindung findet sich darin, daß man in unserem Club lange sehr distanziert gegenüber dieser "Schicki-Micki-Weinwelt" und diesem "Chlöpfmoscht" war. Der Kompromiß findet sich darin, daß man wegen den ausgesprochenen Rotwein-Liebhabern auch noch etwas aus diesem Segment in die Reise einbauen wollte.
Das führte dann zu einem großen und anspruchsvollen Reiseprogramm. Mit dem TGV ab Basel und dann ab Straßburg auch im TGV-Tempo fuhren wir zum TGV-Bahnhof Champagne-Ardenne in der Nähe von Reims. Dort wartete schon unser erprobter Carchauffeur mit seinem Gefährt. Nach der Mittagsstärkung ging es zum ersten Keller.
Veuve Cliquot
Bei Champagne Veuve Cliquot in Reims startete unsere Studienreise. Das Haus, früher unter dem Namen Veuve Cliquot Ponsardin bekannt, gehört zu den traditionsreichen Champagnerbetrieben, schließlich gibt es das Haus schon seit 1772. Heute gehört es zur LVHM-Gruppe. Veuve Cliquot verfügt über 24 km Kelleranlagen, die man in der Champagne in den Muschelkalk gegraben hatte und sie als "Les Crayers" bezeichnet. Die Crayers von Veuve Cliquot werden zu den schönsten der Champagne gezählt. Sie sind sehr sorgfältig gepflegt. Und im Hause gibt es einen besonders schönen Brauch: Langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden geehrt, indem ein Kellergang mit ihrem Namen auf Straßenschildern bezeichnet wird. Eine solche Ehrung wird immer im Rahmen einer feierlichen Gangtaufe mit wichtigen Gästen vorgenommen. Zum ersten Mal hörten wir, welch großer Aufwand in der Herstellung von Champagner betrieben werden muß, bis das perlende Getränk ins Glas rollen kann. Dazu gehört auch die jahrelange Lagerung bis ein Champagner in den Verkauf gelangt. Zum Abschluß der charmanten Führung durch eine Luxemburgerin, die in jungen Jahren in der Schweiz gelebt hatte und ein sympathisches Gemisch von "Letzeburgisch", Schweizerdeutsch und Französisch sprach, gab es natürlich die Verkostung des weißen Veuve Cliquot.
Kultureller Höhepunkt
Anschließend stand wie immer auf unseren Reisen ein kultureller Höhepunkt auf dem Programm. Eine kompetente, deutschsprechende Dame führte uns durch die Kathedrale von Reims. Diese prächtige gotische Kathedrale war Zeuge von Jahrhunderten französischer Geschichte. Über 600 Jahre war sie die Krönungskirche für alle französischen Könige. Wie die Stadt Reims wurde auch die Kathedrale in drei Kriegen sehr in Mitleidenschaft gezogen: 1870/1871 im preußisch-französischen Krieg, dann im 1. und auch im 2. Weltkrieg. In dieser Kathedrale hat Frankreich und die Welt vom großen Staatsmann Charles de Gaulle Abschied genommen.
Der erste Tag endete mit einem kulinarischen Höhepunkt im Restaurant Le Millénaire, dekoriert mit einem Guide-Michelin-Stern und zwei Toques (Hauben) im Gault&Millau-Führer.
Épernay und das Marnetal
Am zweiten Tag ging es zunächst über die Montagne de Reims ins Marnetal und nach Épernay. Die großen Champagner-Rebgebiete liegen nicht in der Nähe von Reims, sie liegen im Marnetal. Von Hautvillers gibt es traumhafte Ausblicke in dieses rebengefüllte Tal. In Hautvillers statteten wir auf der Rückreise auch noch dem Kloster, in dem der berühmte Mönch Dom Pérignon gewirkt hatte, einen Besuch ab. Dom Pérignon gilt als der Vater der moussierenden Champagnerweine. Doch davor widmeten wir uns noch dem Champagner selbst. Dabei lernten wir etwas ganz Wichtiges kennen:
Reims c'est la capitale de la Champagne, Épernay c'est la capitale du Champagne.
In Épernay besuchten wir zunächst das Haus Mo t & Chandon, wofür es drei gute Gründe gibt:
Mo t & Chandon bietet hervorragende Führungen an, an denen Champagner-Novizen auf gute und präzise Art erfahren, was Champagner ist und welche Arbeit und Sorgfalt hinter jeder Flasche steckt.
Obwohl einer der größten Produzenten, bietet Mo t & Chandon qualitativ hochstehende Champagner an.
Mo t & Chandon sind Produkte, die man fast überall bekommen kann.
Die Führung, die mit einem sehr gut gestalteten Kurzfilm beginnt, war eindrücklich und wurde mit einer Degustation von einem Brut Impérial und einem Brut Rosé Impérial abgeschlossen. Übrigens, Mo t & Chandon ist noch älter als Veuve Cliquot, das Haus wurde 1743 von Claude Mo t gegründet.
Bollinger in Aÿ
Nach dem Mittagessen ging es auf die nördliche Seite der Marne in das Weindorf A zu Champagne Bollinger. Dieses Haus kann man nicht einfach besuchen. Man muß angemeldet sein, und sie nehmen nicht alle, die es probieren. Als Club von Hobbyköchen dürfen wir uns glücklich schätzen, daß uns diese Chance geboten wurde. Eine hochkompetente Fachfrau, die auch an der önologischen Fachhochschule in Épernay Dozentin ist, führte uns durch das Haus. Und es begann gleich richtig, nämlich draußen im Rebberg. Wir sahen die verschiedenen Stationen der Weinbereitung. Diese sind bei Bollinger etwas anders, als in andern Häusern. Bollinger ist eines der wenigen Champagnerhäuser, die für die Herstellung der Basis, der stillen Weine, immer noch auf die Vergärphase in den großen Cuves aus Holz und den Ausbau in großen Holzfässern setzt. Das gibt den Bollinger einen anderen Charakter, der sie vor allem zum Essensbegleiter und weniger zum Apéro-Champagner bestimmt. Bollinger ist das letzte Champagnerhaus, das noch eine eigene Tonnellerie hat und einen eigenen Tonnellier zu deutsch Küfer beschäftigt. Wir haben auch ihn besucht. Zum Schluß gab es eine Degustation von zwei exzellenten Schäumern, vom weißen Bollinger Special Cuvée und vom Bollinger Rosé. Das war für Champagne-Liebhaber ein großer Augenblick, an den man noch sehr lange zurückdenken wird.
Am Abend war freier Ausgang. Einige nutzten das, um eine Pizza oder ein Salätchen zu essen. Wiederum andere hatten weitsichtig einen großen Tisch im Restaurant Le Foch reserviert, ein anderes Spitzenrestaurant in Reims, das auch mit einem Guide-Michelin-Stern und drei Gault&Millau-Hauben ausgezeichnet ist.
Champagne de l'Aube und Élise Déchannes
In der Nähe von Troyes, etwa 170 km südlich von Reims, gibt es die Champagne de l'Aube. Die Aube-Gegend war von jeher ein Teil der alten Landschaft Champagne. Die nördliche Champagne um Reims und Épernay versuchten in einem zähen, langen Kampf der Champagne de l'Aube das Recht zu nehmen, ihre Weine auch Champagne (Champagner) nennen zu dürfen. Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde dieser Streit vor dem höchsten französischen Verwaltungsgericht beendet: die Schaumweine der Champagne de l'Aube sind Champagner und dürfen sich so nennen. Allerdings müssen sie auch exakt die Produktionsregeln der nördlichen Champagne einhalten was zwar schon früher immer so gemacht wurde. Der dritte Reisetag war diesem Gebiet gewidmet. Hier kann man Champagner finden, die mit jenen aus dem Marnetal absolut mithalten können, aber nur etwa drei Fünftel soviel kosten.
Am Vormittag besuchten wir Élise Déchannes in Les Riceys. Déchannes hat ein bißchen Kultwinzerinnen-Status, was sie auf sympathische Art mit ihren Präsentationen, ihrem charmanten Verkaufslokal und ihrem Biokonzept pflegt. Allein die Anzahl Kartons, die bei Élise eingekauft wurde, ist ein Beleg dafür, daß ihre Schäumer von sehr guter Qualität sind. Zudem bietet auch dieses kleinere Haus eine breite Palette von Champagnern an. Denn Champagner ist ein vielfältigerer Wein, als man gerne und gemeinhin so annimmt. So gibt es bei Déchannes neben einem normalen weißen Champagner auch einen Blanc de Blancs, einen raffinierten Rosé und auch einen Jahrgangschampagner.
Im kleinen Dorf Les Riceys haben wir für das Mittagessen das Restaurant Le Marius mit einem ausgesprochen schönen Gewölbekeller gefunden. Die Champagner-Degustation bei Élise und der Apéro vis-à-vis der mächtigen Kirche von Les Riceys mit einem hauseigenen Champagner von Le Marius haben die Stimmung schon gut animiert, was bei der petite collation noch etwas unterstrichen wurde.
Cristian Senez
Dann ging die Fahrt weiter nach Fontette, ein Dorf irgendwo in der Aube. Doch dort gibt es das Champagner-Haus Cristian Senez richtig, Cristian und nicht Christian. Auch hier wurden wir sehr freundlich und gut vorbereitet empfangen. Wir konnten die ganze breite Palette von Champagnern in einer gut geführten Degustation kennenlernen. Alle waren sehr gut bis ausgezeichnet, doch der Jahrgangschampagner 2005 war die Krönung, einfach hervorragend. Hier gibt es Produkte, die problemlos mit vielen sehr hoch bewerteten Champagnern von Épernay und Reims mithalten können. Zudem produziert Senez jährlich eine große Menge von Schäumern und kann aus diesem Aspekt nicht als kleines Haus taxiert werden. Leider findet man in der Schweiz die Senez-Champagner nicht. Auch deshalb erhöhte sich die Anzahl Kartons im Car beachtlich, bevor die Reise weiterging.
Auf den 170 km Fahrt nach Beaune verwandelte sich dann der bequeme Reisecar rasch in einen Schlafwagen. Doch das feine Nachtessen im Restaurant Le Cheval Noir in Beaune weckte die Lebensgeister wieder ziemlich schnell.
Im Burgund
Wer noch etwas von Beaune mitbekommen wollte, mußte sich früh auf die Socken machen, denn unser Programm für den vierten Tag war wieder gut chargiert. Schon bald ging es nach Monthélie. Im südlich von Beaune gelegenen Burgundergebiet liegt dieses Dorf neben Volnay. Erstaunlich ist einfach, daß es Monthélie in bezug auf die Reputation nie auf die Stufe von Volnay brachte, obwohl ein Großteil der Rebberge von Monthélie eigentlich die gleichen sind, wie jene von Volnay es geht einfach eine Gemeindegrenze durch den Rebhang.
Wir waren in der Domaine Laurent Boussey angemeldet, wo uns der Seniorchaf Denis Boussey schon erwartete. Wie man das vom Burgund kennt, war dann die Degustation: fröhlich, voller Witz und Anekdoten rund um den Wein und eine Lebensfreude, die spürbar ihre Wurzeln im köstlichen Trank der Gegend hat. Wenn wir nicht noch ein weiteres Programm gehabt hätten, würden wir wohl immer noch mit Denis Boussey degustieren
Dieses Haus ist ein Geheimtip: von einfacheren, aber tadellosen Burgunder-Weinen bis zu ausgezeichneten Gewächsen aus Volnay-gleichen Lagen in Monthélie oder aus Lagen in andern Gemeinden und alles zu annehmbaren Preisen.
Domaine Voarick
Nach einer weiteren petite collation eine hübsche französische Umschreibung für eine kleine Mahlzeit, deren Zweck es eben ist, daß wieder alles zusammenklebt und für ein paar Stunden hält schritten wir zur letzten und ganz großen Prüfung. Wir wurden in der kleinen Domaine Michel Voarick in Aloxe-Corton erwartet. Voarick gehört seit Jahren zu den Spitzenwinzern im Burgund. Hier gibt es eine Köstlichkeit nach der andern. Und wir hatten das Glück, die ganze Leiter hinauf degustieren zu können. Es endete dann in der weißen Linie mit dem Corton Charlemagne als Höhepunkt. Dieser köstliche Tropfen zählt zu den allerbesten Chardonnay im Burgund. Und bei den Roten bildete der Corton Clos du Roi den Abschluß. Auch hier ein absoluter Spitzenwein im Burgund ein wahrhaftig königlicher Burgunder.
Le Charlemagne und das Château d'As
Nach solch önologischen Gipfelbesteigungen mußte es am Abend auch kulinarisch auf der entsprechenden "Meereshöhe" weitergehen. Unser gastronomisches Ziel war das Restaurant Le Charlemagne in Pernand-Vergelesses. Das Haus ist mit einem Guide-Michelin-Stern und mit 16.5 Gault&Millau-Punkten bewertet. Es zeichnet sich durch eine sehr moderne Küche aus, die in der französischen Klassik ihren Anlauf nimmt, aber dann mit asiatischen Noten einen eigenen Weg verfolgt. Sehr schöne Ideen, die präzise aus der Küche kommen, aber dem Gast auch etwas kulinarische Neugier abverlangen.
Damit am fünften Tag auf der Heimreise niemand von einem größeren Durst geplagt wurde oder in einen kleineren Hungerast fiel, stärkten wir uns noch in einem hübschen Restaurant in Baume-les-Dames. Das Château d'As verwöhnte uns zum Abschluß mit einem bewußt gewählten, leichteren Menu, nämlich mit einem Oeuf parfait au purée de petits pois au lard de paysan und einer Truite aux amandes.
Mit einer Fülle von Eindrücken, von neuem Weinwissen, von kultureller Bereicherung, von önologischen Erlebnissen und von kulinarischen Erfahrungen ging es am fünften Tag heimwärts.
Mit der einen oder andern schäumenden Flasche aus der Champagne werden sich auch später die Erinnerungen an diese besondere Weinreise verbinden. Und alle, die mit einer gewissen Skepsis nach Reims und Épernay gereist sind, haben eine bisher wenig bekannte Weinwelt entdeckt und die große und sehr alte Tradition, die in den Champagnern steckt, kennen- und auch schätzengelernt.